12. Etappe, Hahneberg – Potsdamer Chaussee – Ritterfelddamm 18.04.2010

Sonntag und allerbestes Frühlingswetter, Temperaturen bis 20° und dazu noch Flugverbot – was will man mehr! Der Himmel ist streifenlos blau.

Ich starte gegen 13 Uhr nach allerhand sonntäglichem Frühprogramm und fahre diesmal nicht direkt zu meinem letzten Endpunkt, der Endhaltestelle des M49-er Busses, sondern pirsche mich von der anderen Seite an den neuen Hahneberg ran, also Bus M 37 ab Rathaus Spandau, Endhaltestelle Reimerweg.
Ich will doch heute als erstes auf den neuen Hahneberg raufsteigen, den ich letztes Mal nicht mehr geschafft habe.
Stolze 87 m bringt er an Höhe, für Berlin sind das alpine Verhältnisse, sicher knapp 50 m über der Umgebung und weit und breit die höchste Erhebung.
Ein künstlicher Berg, wie so viele hier und dazu auch noch ein recht junger.
Im alten Stadtplan von 1976 existiert er noch nicht.
Ursprünglich eine Kiesgrube, wurde aus aufgetürmtem Bauschutt und Aushub dieser Berg gebildet, damals im äußersten Zipfel von Westberlin. Das Fort Hahneberg gegenüber lag jenseits der Grenze.

Auf der Nordseite ist er mit Baum und Busch bis 2/3 der Höhe bewachsen, auf der Südseite fast kahl.
Ich gehe durch eine Kleingartenanlage und dann den Berg hoch. Meine Kondition ist nur mäßig, der Weg bringt mich ganz schön ins Schwitzen und zum Japsen, aber hoch muss ich.

Oben auf der kahlen Kuppe angekommen, überwältigt einen die Aussicht.
Die Fernsicht ist grandios, der Himmel blau und die Stadt liegt mir zu Füßen.
Aber nur im Norden und Nordosten, der Südosten, Süden, Südwesten und Westen ist überwiegend grün. Wald, Steppe, ganz vereinzelte Ansammlungen von Gebäuden. Nördlich Reihenhaus-Siedlungen, dann Trabantenstadt (Rudolf-Wissell-Siedlung).
Dahinter das Kraftwerk Ruhleben, Schornsteine, Häuser.

Etwas südöstlich der nächstgelegene künstliche Berg mit seinen weißen Bommel-Gebäuden, der Teufelsberg. Die weißen Bommel sind die Überreste einer amerikanischen Radarstation aus Kalte-Kriegszeiten. Der Teufelsberg ist heute ein verwunschenes abgesperrtes Gebiet, geheimnisvoll und anziehend. Betreten verboten, aber Löcher im Zaun…
Gegründet wurde er auf dem gesprengten Rohbau der Wehrtechnischen Fakultät der Nationalsozialisten und mit dem Abraum der zerstörten Stadt Berlin nach dem Krieg zu beachtlichen 115 m aufgehäuft.

Heute aber grüße ich ihn nur aus der Ferne und lasse den Blick weiter schweifen.
Etwas fehlt!
Ich sehe keinen Fernsehturm! Den sieht man sonst von überall in Berlin, wenn man ein bisschen freien Blick hat.
Nach langem Suchen finde ich ihn dann aber doch. Mein Sohn hätte ihn mit seinen Adleraugen wahrscheinlich gleich gefunden, meine alten Bildschirmarbeitsaugen bringen nicht mehr soviel Schärfe. Winzigklein ist er, ganz weit hinten, eine winzige silberne Nadel mit Kügelchen obendrauf…
Auch der Funkturm ist mit viel Mühe zu finden und der Sendemast am Scholzplatz. Im Süden ganz klein der Fernmeldeturm am Schäferberg, den werde ich demnächst aus der Nähe sehen.

Nachdem ich mich da oben sattgesehen habe und mit dem Superzoom meines Fotoapparates auch Winzigkleines aufs Bild gebannt habe, fotografiere ich noch ein junges Pärchen mit ihrer eigenen Kamera, lehne aber dankend ab, als sie mich auch vor der Berliner Skyline fotografieren wollen.

Ich steige den Berg nun in südwestlicher Richtung wieder runter, um zwischen dem neuen und dem alten Hahneberg den Mauerweg wieder aufzunehmen. Bis hierher war ich letztes Mal gekommen.
Erst nach Süden, dann nach Südosten gehts durch eine Wiesenlandschaft, ein ganzes Stück noch um den Hahneberg herum.

Dann geht der Weg durch ein dünnes junges Wäldchen mit vielen Laubbäumen. Einige blühen weiß. Ich weiß nicht, was es für Bäume sind, die Blüten sehen wie Apfel- oder Kirschblüten aus, immer 5 schneeweiße Blütenblätter um die langen Staubgefäße und den Stempel herum. Unter einem besonders üppig blühenden Baum bleibe ich stehen. Es summt und brummt im Baum und ich fühle mich unglaublich gut. A perfect day, das ist das einzige Lied, das jetzt passt, auch wenn Lou Reed ganz was anderes in dem Lied besingt.
Nun tauchen vor mir ein paar Häuser auf. Eine Ausläufer Berlins am äußersten Stadtrand.
Der Weg ist nun ein Stück weit unbefestigt, wie auch die Seitensträßchen. Hier hat es sich wohl nie gelohnt, die Straße zu befestigen.
Nun liegen die Häuser wieder hinter mir, links von mir jetzt Weiden mit Elektrozäunen.
Am Horizont die Spandauer Hochhäuser…

An einem Baum ein Werbezettel „Der Schicke Hund“ mit Bild von so einem Zwergkläffer und dem Versprechen, dass der professionelle Hundefriseur zu Ihnen nach Hause kommt, für eine schicke Frisur für den schicken Hund.

Weiter durch ein sehr lichtes und dünnes Wäldchen zu einer Kleingartenkolonie. Der Weg heißt jetzt Grenzweg. Eine Anschlagtafel mit allem, was hier geregelt und verboten ist…

Eine Straße kreuzt, die Wilhelmstraße, die nun nach Südwesten führt und dann später Potsdamer Chaussee heißt.
Diese Straße ist nun für die nächsten 5 km der Mauerweg. Leider muss man auch meistens am Rand der Straße entlang laufen und sich den Weg auch noch mit den Radfahrern teilen.
Aber das ist schon richtig so, schließlich war gleich neben dieser Straße die Mauer und diese Straße war die eine von nur 2 Straßen, die Gatow und Kladow mit dem Rest von Westberlin verbunden haben. Die Potsdamer Chaussee gehörte ursprünglich teilweise zur Brandenburger Gemeinde Seeburg und wurde nach dem Krieg zusammen mit dem Gelände des Flugplatzes Gatow gegen West-Staaken eingetauscht. So hatten die Briten in ihrem Sektor auch einen Flugplatz mit Zufahrt.

Ich trabe nun die lange und langweilige Potsdamer Chaussee lang und überlege, wie weit ich heute noch gehen werde. Da ich heute aber bester Laune bin und mit den Schuhen eine gute Wahl getroffen habe, beschließe ich, heute die ganze Potsdamer Chaussee hinter mich zu bringen, um beim nächsten Mal nicht noch mal an den Autos vorbeizulatschen.

Ich habe heute meine MBT-Schuhe an, die mit der gebogenen Sohle. Darauf schaukelt man ganz wundersam durch die Gegend und trainiert noch dabei seinen Körper. Leider geht das nur so richtig gut, wenn der Untergrund befestigt ist und der Kopf frei von Termindruck und Stress aller Art. Deswegen trage ich diese Schuhe viel zu selten. Heute läuft sichs damit gut.

Links von mir die Gatower Rieselfelder, rechts die stark befahrene Straße mit einem Abzweig nach Seeburg.
Auf den Rieselfeldern wurde früher das Abwasser der Stadt Berlin gereinigt. Es wurde hier in Becken mechanisch vorgereinigt und dann auf Felder verbracht, wo es die Pflanzen bewässerte und düngte. Beim Versickern wurde es weiter gefiltert und stand wieder als gereinigtes Grundwasser zur Verfügung.
Auf den Rieselfeldern sollen früher besonders schöne große Tomaten gewachsen sein, weil Tomatensamen den menschlichen Verdauungstrakt unbeschädigt überstehen und dann auf den Rieselfeldern zum Keimen kamen.
Allerdings sind die Rieselfelder heute stillgelegt und das Wasser wird in Klärwerken gereinigt. Die Schwermetallbelastung der Abwässer nahm im 20. Jahrhundert so stark zu, dass auf den Rieselfeldern kein Gemüse mehr abgebaut werden durfte. Heute sind sie weite grüne Flächen mit Weiden und einzelnen Bäumen.

Ich könnte jetzt auch stoppen, Charlotte anrufen, die ganz in der Nähe wohnt und gucken, ob ich da einen Kaffee kriege. Aber der Gedanke, nächstes Mal wieder die Straße entlang laufen zu müssen, ist mir zuwider und ich gehe weiter.

Auf halber Strecke liegt der Landschaftsfriedhof Gatow. Ab hier geht der Weg parallel zur Straße, aber durch einen 50 m breiten Waldstreifen getrennt. Durch den Zaun kann man auf die frischen Gräber sehen.
Nach dem Friedhof liegt noch einmal eine große grüne Wiese neben mir, danach ein Wäldchen.

Dann gehts wieder an der Straße entlang. Durch die Bäume links schimmern Metallzäune. Ich nehme an, dass sie zum ehemaligen britischen Sperrgebiet gehören, wo auch der Flugplatz Gatow liegt.
Der Flugplatz ist jetzt stillgelegt, es gibt noch ein Luftwaffenmuseum und ein Teil der Fläche ist jetzt mit einer neuen (öden) Siedlung bebaut.
Erstmal aber taucht ein Hundeübungsplatz auf und man sieht durch die Bäume zwei Türme mit Kugeln obendrauf, ähnlich denen auf dem Teufelsberg, bloß grau statt weiß. Daneben erkennt man auch noch das Towergebäude.

Ungefähr 1979 sollten dort am Flugplatz viele Bäume gefällt werden, es gab Proteste dagegen und auch ich habe mit meinem ganz neuen Daunenschlafsack dort draußen ein paar Nächte übernachtet. Aber immer nur am Wochenende…
Wie die Sache dann ausging, weiß ich nicht mehr, es waren aber wildromantische Zeiten unter lauter gleichgesinnten wilden Gesellen und Gesellinnen, am Lagerfeuer abends und mit Sternen über einem im Schlafsack…

Ich gehe nun an der neuen Siedlung vorbei, die alles das nicht hat, was das Leben schön macht, dafür manches, was das Leben genormt macht. Die Häuschen stehen noch ganz im Kahlen, die Straßen sind breit, es gibt unglaublich viele Straßenlaternen, aber keinen Laden, keine Kneipe, keine Bushaltestelle, nix.

Dann tauchen ältere Häuser auf, hier fängt das bewohnte Kladow an. Durch ein Sträßchen mit hässlichen alten Häusern, dann komme ich zum heutigen Endpunkt des Mauerwanderwegs.

Ich bin am Ritterfelddamm, auf der anderen Straßenseite liegt der Gutshof mit einem ritterburgartigen Gebäude und einem gotisch nachempfundenen Spitzbogen. Dort gehts es nächstes Mal weiter, hinter dem Gutshof liegt der Groß-Glienicker See.

Dort lief zu Mauerzeiten in der Mitte die Grenze lang. Zur Westseite des Sees hatten die DDR-Bewohner damals keinen Zugang.
Auf diese Etappe bin ich schon sehr gespannt, denn am Ufer des Sees gibts gerade Stunk zwischen Privatgrundstückbesitzern und der Verwaltung. Die Grundstücksbesitzer wollen ihre Grundstücke bis ans Wasser benutzen, alleine, versteht sich und haben Barrikaden gebaut. Der Weg ist aber eigentlich öffentliches Land und eigentlich sollen in Brandenburg alle Seeufer öffentlich sein. Eigentlich…
Deswegen ist der Mauerwanderweg hier wohl nicht immer so einfach passierbar.
Nun, beim nächsten Mal werde ich davon berichten!

Heute ist meine Reise aber noch nicht zu Ende.
Nach so einem perfect day kommt noch der krönende Abschluss: ich werde von Kladow mit der Fähre nach Wannsee fahren und von da aus mit der S-Bahn nach Hause.
Diese Fähre gehört zur BVG, ist also mit einem ganz normalen Fahrschein zu befahren. Die Fahrt ist einmal pro Stunde und dauert jeweils ca. 20 Minuten. Der Chef des Schiffs nennt sich auch Kapitän, aber hat ein ganz anderes Betätigungsfeld als die Burschen auf hoher See.

Ich muss eine halbe Stunde in der ziemlich langen Schlange an der Anlegestelle warten. Heute bei dem schönen Wetter ist natürlich tout Berlin auf den Beinen und eine ganze Menge davon sind hier.
Ich kriege noch einen schönen Platz vorne auf der Fähre und dann fahren wir über die Havel und dann rein in den Großen Wannsee, die Berliner Badewanne, die eigentlich nur eine Ausstülpung der Havel ist und der Anfang einer Seenkette mit Kleinem Wannsee, Pohlesee, Stölpchensee und Griebnitzsee, der dann wieder mit der Havel verbunden ist.
Also eigentlich ist Wannsee als (Unter-)Bezirk eine Insel.

Man sieht vom Wasser aus das riesige Strandbad Wannsee, das schon seit diesem Wochenende geöffnet hat. Die Wassertemperatur wird aber noch ziemlich unerfreulich sein.

Nach entspannten 20 Minuten Dampferfahrt komme ich an der Haltestelle Wannsee an.
Theoretisch könnte ich von hier aus auch mit einem anderen Dampfer fast bis nach Hause fahren. Die privaten Ausflugsdampfer fahren von hier bis zur Kottbusser Brücke oder wenigstens bis zur Jannowitzbrücke. Aber natürlich nicht mehr um diese Uhrzeit, es ist mittlerweile 19 Uhr.
Und mittlerweile habe ich Hunger und bin genug gelaufen, also ziehe ich 45 Minuten mit S-Bahn und Bus vor.

Ein Gedanke zu “12. Etappe, Hahneberg – Potsdamer Chaussee – Ritterfelddamm 18.04.2010

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