3. Etappe U-Bhf. Bernauer Straße – S-Bhf. Wilhelmsruh

Da ich mich auf den Berliner Wetterbericht verlassen habe, mache ich meine 3. Etappe erst heute. Gestern war Regen angesagt, heute trockenes Wetter – es war umgekehrt, aber nix mehr zu ändern.

Aber getreu dem Motto „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Laune“ komme ich am U-Bhf. Bernauer Straße an, grüße die Brunnenstraße Richtung Stadtzentrum hinunter meine Gelegenheits-Arbeitsstelle Zietz-Preissler, und wende mich nach rechts.

Rechts neben der Straße ein ca. 50 m breiter Grünstreifen, der Grenzstreifen, der aber an wenigen Stellen schon bebaut wird. Dahinter die Rückseiten der Vorderhäuser der Parallelstraße, der Rheinsberger Straße. Seitenflügel, Hinterhäuser und die Häuser in der Bernauer Straße wurden 1961 abgerissen. Die Hausbewohner haben jetzt nette Gärten hinter dem Haus.

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Es gibt ein hier ein Denkmal, ein NVA-Soldat, der über ein Stück Stacheldraht springt, so wie es am Tag des Mauerbaus passiert ist, nach einem berühmten Foto.

001 Mauerspringer

Der Unterschied zwischen Wedding und Mitte ist hier deutlich sichtbar – auf der Weddinger Seite der Bernauer Straße steht ein Querschnitt durchs Westberliner Bauschaffen von den 50ern bis zu den späten 80ern, nichts spektakuläres, Sozialer Wohnungsbau, eher schäbig. Auf der Mitte-Seite schicke Neubauten, Neubauprojekte und gut sanierte Altbauten.
Wedding gehört seit der Bezirksreform zu Mitte, ein ungeliebter Teil des Stadtteils mit hohem Ausländeranteil, sozialen Problemen und wenig Lichtblicken.

Wenig später fängt der Mauerpark auf der nördlichen Seite der Bernauer Straße an. Wie immer sonntags ist hier Flohmarkt (hauptsächlich Ramsch, aber durchaus interessant), den ich aber links liegen lasse, weil ich keine Zeit dafür habe und außerdem gerade Trödel loswerden will, keinen neuen kaufen will.

Der Mauerpark verbindet das ehemalige Gelände des Güterbahnhofs Eberswalder Straße auf Westberliner Seite mit dem Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark und dem Falkplatz auf Ostberliner Seite. Ein großer, gut genutzter Park mit der in der Mitte in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Schwedter Straße, früher die erste Straße im Osten, also Grenze. Hier gehe ich lang, rechts neben der Schwedter Straße gehts einen Hügel hoch, oben auf dem Hügel stehen etliche Meter der Hinterlandmauer, bunt besprayt.

002 Mauer Mauerpark

Die schaue ich mir aus der Nähe an und wundere mich ein bisschen, dass vorneweg jemand die Mauer schwarz überstreicht und dahinter – kaum dass die schwarze Farbe trocken ist – Sprayer ganz ungeniert und am hellichten Tag hier sprayen. Ist das vielleicht eine feste Sonntagsbeschäftigung, gefördert vom Jugendsenator, der die schwarze Farbe, vielleicht sogar die Spraydosen der Jugendlichen stellt?

003 Sprayer Mauerpark

Von hier oben hat man außerdem einen hervorragenden Blick auf den Wedding, dieses Problemviertel, das in den 60ern totsaniert wurde.

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Ich komme nun am Sportstadion und an der Max-Schmelinghalle am Falkplatz vorbei, letzteres die Stätte, in der der geschätzte Bob Dylan in Berlin die letzten beiden Male aufgetreten ist. Die Max-Schmelinghalle ist leider für Konzerte nicht besonders geeignet, die Akustik ist mies und sie hat halt den Charme einer Sporthalle. Seitdem die O2-Arena am Ostbahnhof gebaut wurde, ist sie nur noch zweite Wahl. Dabei ist sie auch noch relativ neu, höchstens 15 Jahre alt.

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Hinter dem Falkplatz liegt auf der linken Seite der Gleimtunnel, eine wiedereröffnete Ost-Westverbindung, mittlerweile stark befahren, ein langer, finsterer Tunnel, über den stillgelegte Gleise der Güterbahn hinwegführen. Ziemlich schaurig, nachts bestimmt ziemlich gruselig.

004 Gleimtunnel

Hinter dem Gleimtunnel gehts eine Treppe hoch in einen letzten Zipfel Mauerpark. Die Häuser im Osten rücken ein ganzes Stück weg, der Himmel wird weit. Es ist Platz dort für Spielplatz und Kinderbauernhof, hinten noch eine Skulptur wie ein nachgebildetes verwittertes Stück Mauer aus Lehm, eine Kletterwand eines Alpinvereins.

Danach beginnt eine lange Fußgängerbrücke, der Schwedter Steg, die über den Knotenpunkt der Ringbahn und der Nord-Süd-S-Bahnlinien hinüberführt. Zu Mauerzeiten war hier die Ringbahn in 2 Hälften zerschnitten, im Westen endete sie im Bhf. Gesundbrunnen, im Osten im Bhf. Schönhauser Allee. Es gab eine Nord-Südlinie im Westen, die Linie Wannsee-Frohnau und eine im Osten, abzweigend von der Ringbahn, nach Bernau.

005 Schwedter Steg

Die Fläche zwischen den Schienen ist wild bewachsen, die Schienenstränge sind aber saniert. Auch der ICE fährt jetzt hier lang. Der Blick geht weit. Hier ist die Nahstelle sichtbar, die Narbe nicht zusammengewachsen.

Die Fußgängerbrücke endet an der Behmstraße, ich überquere sie und steige Treppen hinunter in ein grün bewachsenes Areal entlang der Norwegerstraße. Der Mauerwanderweg ist hier überall gut ausgeschildert.
Rechts Häuser in der Norwegerstraße, links Hinterlandmauer.

Ich unterquere die Böse-Brücke (nach einem NS-Widerstandskämpfer benannt, nicht nach der bösen Trennung…) mit der Bornholmer Straße, jetzt wieder wie vor dem Krieg eine wichtige und sehr breite Ost-West-Verbindung und komme zum S-Bahnhof Bornholmer Straße.

008 Bösebrücke

Der alte S-Bahnhof lag im Osten, war aber für Westberliner benutzbar und hatte nur Ausgänge nach Westen (ebenso wie der Bahnhof Wollankstraße, den ich später noch passieren werde). Für die östliche S-Bahnlinie gab es einen zweiten Bahnhof, zwischen den beiden Bahnhöfen unüberwindbare Hindernisse. Nach der Wende wurde ein kompletter neuer Bahnhof gebaut.
Auch hier war zu Mauerzeiten ein Grenzübergang, der erste, der am 09.11.1989 gestürmt wurde.

Nach der Bornholmer Brücke sind rechts keine Häuser mehr, es hat sich ein Kleingartengelände mit Lauben angeschlossen, links grenzt die Grünfläche direkt an die Bahntrasse.

In Höhe der Straße Esplanade biegt der Mauerweg und auch ich nach links ab und geht unter den Gleisen durch zur westlichen Nord-Süd-S-Bahnlinie.

009 Tunnel Esplanande

Ich bin nun wieder im Westen, hier fängt Reinickendorf an, im Osten Pankow. Ein kleiner Umweg um einen Spielplatz herum führt zur Steegerstraße, eine langweilige Straße mit 30er-Jahre-Wohnhäusern links, rechts zum Bahndamm (und zur Grenze) hin Kleingärten. Die Steegerstraße endet am S-Bahnhof Wollankstraße, dem zweiten Bahnhof, der im Osten lag, aber nur Ausgänge zum Westen hatte, mit altem Bahnhofsgebäude.

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Diese ganze Strecke kenne ich nur von seltenen S-Bahnfahrten her, in den Nordbezirken hatte ich zu Mauerzeiten sehr wenig, jetzt nur noch wenig zu tun.

Weiterhin geht mein Weg entlang der Bahntrasse, durch die Nordbahnstraße. Bevor die Nordbahnstraße nach Westen abzweigt und die Bahntrasse verlässt, geht der Mauerwanderweg nach rechts ab, durch eine mächtige Bogenbrücke unter der S-Bahn hindurch nach Pankow. Hier ist rund um den S-Bahnhof Schönholz (Betonung auf der zweiten Silbe, sonst outet man sich als Zugereister!) freies Gelände, das man umgehen muss. Dahinter gleich der Bürgerpark Pankow, den ich nur bisher von der Pankower Seite aus kannte.

Ganz in der Nähe auch der Heinrich-Mann-Platz, dort war ich in den 70er-Jahren mal bei netten Leuten eingeladen. Leider haben sich alle diese Vorwende-Kontakte nicht lange gehalten. Es war doch relativ mühsam, so lockere Kontakte aufrechtzuerhalten, ohne Telefon und verbindliche Treffenszeiten.

Ich überquere die namensgebende Panke, ein idyllisches Bächlein, und komme an einem weiteren Kinderbauernhof vorbei. Weiter entlang die Straße Am Bürgerpark, die aber recht eintönig ist.

011 Panke

Weiter gehts in die Schützenstraße nach links, nun wieder näher an die S-Bahn heran.

Bei nächster Gelegenheit verlasse ich die breiten Straßen, umrunde einen Netto-Markt und finde dahinter tatsächlich einen Trampelpfad durch die Wildnis, nahe an der S-Bahn.

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Ich muss noch 2 Straßen überqueren, die Provinzstraße (seltener gabs einen passenderen Namen!) und die Klemkestraße (hier ist der Mauerstreifen markiert), bleibe aber ansonsten in der Wildnis mit einem leicht befestigtem Fußweg, der auf beiden Seiten von Zäunen umgeben ist.
Es wird schon etwas dunkler und ich bin völlig alleine hier, abgesehen von 2 Karnickeln, die über den Weg hoppeln. Dieses Stück zieht sich wie Kaugummi.

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Auf der linken Seite tauchen dann merkwürdige Bauten auf, Lauben, die aber stark gegen Einbruch gesichert sind und einen uneinnehmbaren Eindruck machen (sollen). Schilder mit tödlich aussehenden Schäferhunden an den Türen, dahinter aber zunächst nur das Gebell eines Schoßhündchens.

Dann aber immer mehr Hundestimmen, auch die von größeren, aus einem längeren armselig aussehenden Gebäude, das sich dann als Hundepension und Hundeschule entpuppt.
Ich komme aber ungeschoren davon, weil die Bestien alle eingesperrt sind und erreiche das Ende des Weges an der zweiten Kopenhagener Straße heute (die andere war zwischen Gleim- und Bornholmer Straße) und auch das Ende meiner heutigen Etappe, den S-Bahnhof Wilhelmsruh.

016 S-Bhf. Wilhelmsruh

Da die S-Bahn nur alle 20 Minuten fährt, muss ich ein Weilchen warten, fahre bis Gesundbrunnen und steige dort auf meine Heimatlinie U8 um, die mich schnell nach Hause bringt.
Nächstes Mal ist die Umrundung des Märkischen Viertels dran bis nach Lübars, erst Trabantenstadt, dann Dorf.
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